Ich hatte mir bei der ersten Welle vorgenommen nichts über Phonebloks zu schreiben, da ich die Idee an sich zu naiv halte. Da nun aber durch Google / Motorola die zweite Welle losgeht, schreibe ich dann eben doch was.

TLDR: Das Video ist nett gemacht, aber die Idee an sich ist Unsinn.

Hier die Begründung, wieso ich das denke:

Problem #1: Wir haben kein Interesse an Modularität. Wer sich den PC Markt der letzten Jahre anschaut wird feststellen, dass immer weniger Desktop PC verkauft werden und immer mehr Laptops. Abgesehen von dem offensichtlichen Vorteil der Mobilität sind Laptops integrierte Systeme. Sie entlasten den Anwender von der Notwendigkeit sich mit Komponenten auseinandersetzen. Während es für eine kleine Gruppe von Leuten interessant war sich zu fragen, ob man Grafikkarte X oder Y will, interessiert dies den normalen Anwender nicht im geringsten. Zu Recht. Case & Point: Der neue Mac Pro, ein Desktop PC ohne Modularität.

Problem #2: Wie reden hier von Hardware. Bei Software bzw. Apps ist die Einstiegshürde inzwischen minimal: Man geht auf die Seite des Herstellers, lädt das SDK herunter und kann loslegen. Und die Grundlagen der meisten Plattformen sind inzwischen auch für komplette Neueinsteiger innerhalb von Tagen zu lernen. Bei Hardware? Um auch nur annähernd in den Bereich zu kommen, der für ein solches Projekt nötig ist, benötigt man ordentliches Grundwissen in Elektronik, Elektrotechnik, Physik und Materialkunde (oder ein Team mit entsprechenden Fahigkeiten). Dazu kommt eine gut ausgestattete Werkstatt, um zumindest Prototypen herstellen zu können. Und schließlich noch Kontakte zu Dienstleistern, die einem die eigenen Entwürfe in Kleinserie herstellen können. Kurz: Hardware ist nicht trivial.

Das bedeutet, dass die Annahme eine Community von Hardware würde sich um die Idee herum bilden sehr naiv und idealistisch ist.

Problem #3: Es ist nicht attraktiv. Hardware wird umso effizienter, je enger sie integriert ist. Integrierte Systeme benötigen weniger Leistung, (=Energieeffizienz, längere Akkulaufzeit), produzieren weniger Abwärme (=keine Notwendigkeit für aktive Kühlung) , sind kleiner (=flacher, dünner, leichter), stabiler (weniger Verbindungen), schneller (=größere Bandbreite) und generell billiger herzustellen. Die direkte Konsequenz eines modularen Telefons wäre also: Es ist teurer, schwerer, fehleranfälliger, langsamer und der Akku hält nicht so lange.

Problem #4: Es ist nicht umweltfreundlicher. Das Argument für die Umwelt ist, dass man nicht das ganze Telefon wegwerfen muss, wenn man ein neues bekommt. Die Leute, die sich alle paar Monate ein neues Handy Kaufen arbeiten entweder im Technologie-Umfeld oder sie wollen einfach das Neueste und Beste haben. Beide Gruppen werden sich entsprechend auch immer die neusten Plattformen und Module kaufen. Statt also eines Produkts hat man die Belastung (und Kosten) für Herstellungsprozess, Verpackung, Transport um die Anzahl der Module vervielfacht.

Ebenso wird der Elektroschrott nicht weniger, sondern nur kleiner. Statt eines Telefons (mit zumindest moderaten Investitionskosten), kommt noch eine Anzahl an vergleichsweise günstigen “Fashion-Modulen” hinzu, die man sich sonst nie gekauft hätte. Handymüll ist also gerade ein Impulskauf geworden.

Von all diesen Gründen mal abgesehen: Das Video ist ja durchaus ansprechend. Es beschreibt eine Lösung für ein vermeintliches Problem, welche wir direkt verstehen. Es weckt nostalgische Gefühle an eine frühe, unschuldige Zeit mit Computern, als Anwender zumindest gefühlt noch mehr Kontrolle über Technologie hatten. Und das lässt uns über die Probleme hinwegsehen. Vielleicht wird es wirklich auch Zeit für ein neues Paradigma, wie wir Handy bauen und nutzen.

Auf der anderen Seite: Das Internet of Things bedeutet letztendlich, dass alle Objekte digital kommunizieren. Das Sony DSC QX10 ist ein Beispiel für ein Kameramodul. Es gibt auch eine Reihe von Bluetooth-Tastaturen in vielen Größen und Formen. Oder Lautsprecher. Und so werden letztendlich doch Schritt für Schritt alle Komponenten modular. Nur nicht so, wie es das Video vorstellt, sondern die Basis ist mein Handy und die Komponenten werden alle Geräte und Gegenstände sein, die ich mit mir herumtrage.