"Ein ewig Rätsel will ich bleiben mir und anderen.“
Zur Erinnerung an O. W. Fischer (01.04.1915 - 29.01.2004)
Diese ebenso schönen wie kryptischen Worte stammen aus der Feder des bayrischen Märchenkönigs Ludwig II. Aber auch dem österreichischen Schauspielstar und späteren Philosophen Otto Wilhelm Fischer, der seine beiden ihm allzu martialisch dünkenden Vornamen elegant in O. W. abkürzte und für den sein faszinierendes Porträt eben jenes Monarchen 1955 zur Paraderolle seiner Filmkarriere avancieren sollte, würden sie trefflich zu Gesicht stehen.
Nach der Matura und dem Studium einiger Semester Germanistik, Anglistik und Kunstgeschichte nahm O. W. Fischer 1936 Schauspielunterricht am Wiener Max Reinhardt Seminar, dem sich sich eine erfolgversprechende Bühnenkarriere anschloss, während er im damaligen Unterhaltungsfilm in durchweg seichten Rollen als harmlos-attraktiver Liebhabertyp besetzt wurde.
Erst nach dem Zweiten Weltkrieg begann O. W. Fischers Aufstieg zu einem der gefeiertsten Stars des deutschen Films. Sein erster großer Erfolg war 1950 die Darstellung des aufgrund seiner entschieden liberalen Reformbestrebungen ebenso wie durch seine Liebe zu einer Frau aus bürgerlichem Haus als Rebell angesehenen Erzherzogs Johann von Österreich in dem Historienfilm “Erzherzog Johanns große Liebe”.
Nach einigen belanglosen Unterhaltungsfilmen markierte 1952 das Melodrama “Bis wir uns wiederseh’n” den Wendepunkt in der Filmkarriere von O. W. Fischer. Erstmals arbeitete Fischer mit seiner kongenialen Partnerin Maria Schell zusammen. Der Faszination, die von dem nuancenreichen und emotional intensiven Zusammenspiel der Beiden ausging, erlagen Millionen von Zuschauern und erkoren den Österreicher Fischer und die zwar in Wien geborene, jedoch in der Schweiz aufgewachsene Schell zu Deutschlands unangefochtenem Traumpaar - und dies blieben sie in acht gemeinsamen Spiel- und Fernsehfilmen (lediglich in dem französischen Historienepos “Napoleon” aus dem Jahr 1954 haben sie keine gemeinsame Szene) über einen Zeitraum von fünfunddreißig Jahren lang.
Mit der Darstellung des betrügerischen Spielcasinobetreibers Paul Mayhöfer hatte O. W. Fischer sein ideales Rollenfach im Film gefunden: der Homme fatal, der mit faszinierend charismatischer Ausstrahlungskraft und immensem Sex Appeal betört, seinen schier unwiderstehlichen Charme exzellent einzusetzen versteht und sich nahezu allen gängigen gesellschaftlichen Konventionen widersetzt.
Beispiele dieser faszinierenden Darstellungskunst sind der dämonisch-egozentrische Filmregisseur Frank Tornau in “Solange du da bist” (1953), der skrupellose Mitgiftjäger Peter van Booven in “Ein Herz spielt falsch” (1953), den erst die Liebe seiner todkranken Frau zu läutern vermag, der betrügerische “Hellseher” Hanussen in Fischers erster Regiearbeit (1955), der von seinen wissenschaftlichen Forschungen besessene Arzt Dr. Paul Venner in Fischers zweiter Regiearbeit “Ich suche dich” (1956), der sich vor Verletzungen durch Andere schützen will, indem er sich mit Zynismus umgibt und erst durch den Verlust der geliebten Frau die Sinnentleertheit seines bisherigen Lebens erkennt, der Arzt und Reformer Friedrich Struensee in “Herrscher ohne Krone” (1957), den seine Leidenschaft für die Frau seines royalen Gönners ins Verderben führt, der Abenteurer Peter van Houten in “Abschied von den Wolken” (1959), der sich trotz seines unkonventionellen Auftretens als der einzige wirklich Anständige unter vermeintlich bieder-braven Bürgern erweist, die sich statt dessen als selbstgefällig-eitle Ehebrecher, arrogante Feiglinge und sogar als ehemalige Nazis entpuppen sowie der verarmte Baron Felix von Gaigern in “Menschen im Hotel” (1959), der seinen Lebensunterhalt als Dieb bestreitet und durch die Begegnung mit einer alternden Primaballerina und einem redlichen Buchhalter geläutert wird, jedoch bei dem Versuch, sein Leben zu ändern, gewaltsam zu Tode kommt.
Den Höhepunkt seiner Darstellung grüblerischer, zu unerwarteten und daher umso überraschenden emotionalen Ausbrüchen neigender Charismatiker erreicht O. W. Fischer 1954 in der Titelrolle von “Ludwig II. – Glanz und Elend eines Königs”. Er verleiht dem bayrischen Märchenkönig immense emotionale Tiefe und zeichnet alle Nuancen vom Schöngeist bis zum Berserker.
Neben dem dramatischen Fach war O. W. Fischer in seiner Karriere auch immer wieder im heiteren Genre zu erleben wie beispielsweise als der weltreisende Tausendsassa Peter Voss und als der Mehrfach-Agent wider Willen Thomas Lieven in den beiden Simmel-Adaptionen “Es muss nicht immer Kaviar sein” und “Diesmal muss es Kaviar sein” (beide 1961) Fischers Glanzstück in dieser Hinsicht ist unstrittig seine Darstellung des den Krieg verabscheuenden Schweizer Hauptmanns Bluntschli in der Shaw-Verfilmung “Helden” (1958), der weltmännischen Charme mit herrlicher Selbstironie zu kombinieren versteht.
1969 beendete O. W. Fischer seine Filmkarriere, lebte trotz gelegentlicher Fernsehauftritte zurückgezogen auf seinem Anwesen in Vernate bei Lugano und widmete sich diversen philosophischen Studien.
O. W. Fischer verstarb am 29.01.2004.