Avatar

Doktor Disko

@doktor-disko / doktor-disko.tumblr.com

Auch wenn der Name des Blogs es suggeriert, ich bin keine echte Disko. Ich bin auch kein Supermarkt oder Großraumbüro. Ich bin das Klackern und Schnellen der Schreibmaschine des Autors, der, von Gedanken besungen, Worte suchend das Leben in ihr weckt. Ich bin die Bewegung der Haare eines Pinsel des Malers, dessen Hände, berauscht von den Farben des Geistes, mich durch das Öl treiben, es hier aufwerfen und dort ausdünnen. Ich bin die Schwingung in den Saiten der Gitarre des Musikers, dessen Seele ein Lied zu spielen sucht, das aus den Sphären heraus in ihm resoniert. Ich bin der Hall des Werkes im Werkzeug. Aber eins bin ich allem voran: ich bin langweilig. --- Gerry Großer
Avatar

Lachen, oder: marodieren in den Atemwegen

Die Fichte blüht

vor meinem Fenster -

Auch auf dem Rot

ihrer Blüten liegt

der nasse Schimmer

der alles bedeckt,

wie eine dünne Schicht aus Wachs

~

In ihm glänzt der Abend

vom Horizont her,

von dort, wo das Gold

unter die Wolken tröpfelt,

glänzt in der klaren Luft,

nimmt der Wolkenfinsternis

alle Bedeutung

~

Nein, nimmt sie nicht,

kehrt sie um,

vergoldet sie

~

Goldene Schlieren

benzingleicher Pollenschleier

ziehen über die Lachen

auf dem Asphalt,

gebannt, gebunden, unschädlich,

nicht mehr marodierend

durch Luft oder

Atemwege

~

Flattern,

wie das Laken eines Geists

der eine Dimension verlor

und dessen Echo

man nur noch leise

hört lachen

---

Doktor Disko (2024-04-29)

Avatar

Schreibblock adé

Der Wind flüstert Zeilen

in den ersten Nieselregen

des Vorfrühlings

und die Schlüsselblumen

öffnen die Schublade

mit den Farben,

alles breitet sich vor mir aus,

doch ich finde mich nicht wieder

darin

~

Und auch nicht im Drinnen,

finde nichts

in meinen 37,5 m³

zwischen all den Ideen, die

den Raum füllen, sich verknoten,

sich durchdringen, wie

eine Packung Weingummischlangen,

mir im Weg stehen,

mir nicht zuhören

~

Ich schreie

TEXT!

aber niemand antwortet.

---

Doktor Disko (2024-03-04)

Avatar

Blut, oder: Kränzübergang

Das Blut zirkuliert wieder

durch Venen, Arterien,

durch Kapillare,

den Kränzübergang am Herzen

~

Im Nassgrün des Frühlings

taute es auf

~

Nun fließt es und schleppt

mit sich die gelösten Gase

und all die Dinge

die sich ansammeln

in den Jahren

~

Gemischt mit dem Duft

der Lorbeerkirsche

vor meinem Fenster

~

Noch schlafen die Organe,

nichts filtriert oder reinigt,

bis sie erwachen

hilft nur

eine Frühjahrsdialyse

~

bis ich bald wieder funktio-

Niere

(2024-04-19)

Avatar

Traum, oder: Vulkanglas und Kiefernharz

Sonnenlicht beißt sich

durch die Felder und Ebenen,

vertrocknet meine Blicke -

Wohin sie auch fallen,

alles klar und so scharfkantig

wie Klippen aus vulkanischem Glas

~

Der Boden unter mir

Wellen schlagend

in alle Richtungen,

ein zerwühltes Bettlaken,

gewoben aus allem was war,

Berge und Täler der Vergangenheit

~

Auf einem Gipfel

liegen die Wolken des Traums -

Fetzen von Wollgras,

flatternd im Wind

~

Dort, verhüllt:

abgeschiedenes Grün,

neblige Stille

ein Wald, der

um einen herum explodiert -

Kiefernharzbadebombe -

und die kühle Geborgenheit

des Schattens

fern aller Blicke

~

Dort, im feuchten Moos,

wo meine Schritte badeten,

dort

vermisse ich mich.

---

Doktor Disko (2024-04-11)

Avatar

Nebenrolle, oder: wie geht der Text nochmal?

Der NPC im Videospiel,

der immer hier sein muss,

wenn der Player auftaucht

~

Der Mensch, der shoppen geht

und plötzlich singen

und tanzen muss,

weil sich im selben Laden

die Hauptpersonen

des Musicals treffen

~

Der eine alte Schlüssel

am Schlüsselbund,

der eben keine

Schlüsselrolle mehr erfüllt

~

Die Welt dreht sich,

wie er eben nicht im Schloss

~

Dafür wie

der Bürostuhl unter mir

und die Frage

in meinem Kopf:

Was bleibt am Ende

von mir?

---

Doktor Disko (2024-04-04)

Avatar

andererseits, oder - mit diesem Wort könnte auch ein Buchtitel von Douglas Adams beginnen...

Andererseits scheint

ja auch irgendwie die Sonne,

sagt eine Stimme

aus dem Beet heraus,

das die Blumen

vor dir hinsprenkeln,

Microsoft Paint: Airbrush auf Wiese.

~

Andererseits kriegt der Baum

vor dem Küchenfenster

endlich seine Blätter -

die Knospen hatte er im Herbst schon,

seltsam eigentlich,

die Lyrikfraktion würde das bestimmt

irgendwie metaphorsich deuten,

irgendwas mit Durchhalten oder so,

aber du bist kein Lyriker,

du bist vor allem

schlecht gelaunt...

~

Andererseits fällt gerade

Vitamin D vom Himmel,

jeden Tag ein bisschen mehr

und bestimmt,

also mit einer Wahrscheinlichkeit

in der Größenordnung von

1 zu Handynummer

wird die Welt vielleicht doch wieder

zum Andererseits.

---

Doktor Disko (2024-03-22)

Avatar

Verstörend, oder: Manche Nächte sind die

Manche Nächte sind die Freiheit,

sind das Licht, das die Laternen

in die Weiten der Welt entlassen,

das die Straßen entlanggeht,

in den Bäumen tanzt

und die Regentropfen

zum Glänzen bringt

~

Manche Nächte aber

sind Bürogebäude

nach Dienstschluss,

leere Parzellen mit

verstaubten Röhrenbildschirmen,

mechanischen Mäusen

und all dem Krimskrams,

der all das persönlich machen soll

für all die Menschen,

die gerade zu Hause sind,

in dem Leben,

für dessen Persönlichkeit

all der Krams steht.

~

Manche Nächte sind

die Schritte, die dir folgen

zwischen all den Parzellen, sind

die Türen, die sich öffnen, die

Stühle, die sich umdrehen, die Schatten,

die in Deckung gehen, all das Geschehen

in den Augenwinkeln, bis du hinschaust

in die Neonleere der Nacht

im Wolkenkratzergroßraumlabyrinth.

~

Manche Nächte sind die nicht

endende, Enge zwischen

den Wänden der Parzellen,

zwischen den Wänden

zweier Tage, im

Leuchtstofflicht der Nichtsonnen,

halten dich

mit ihren Tentakeln

aus dem flackernden

Schatten zahlloser Druckkerräume

heraus fest, rufen

deinen Namen im Kreischen

selbstreinigender

Kaffemaschinen, Klimpern mit

ihren Aufzugstürenaugenlidern

und der Fahrstuhlmusik,

die immer leiser wird,

und leiser, aber nie

verstummt.

---

Doktor Disko (2024-03-14)

Avatar

Nebelstille, oder: dem Leuchtturm folgen

Ein Teppich

aus milliarden

kribbelnden Tröpfchen

liegt auf den Felsen,

Wasser überall

~

Wellen prallen vom Meer aus

in die Felsspalten,

die ihre Vorfahren hinterließen,

verziehen sich wieder,

literweise gluckert Wasser

durch Korridore, Kuhlen

und Kavernen zurück

und ich bleibe sitzen

~

neben mir, hinter mir,

nach oben

erhebt sich der

ausgehöhlte Fels

hinein in das weiße Polster

der Nebelstille, die sich

überall dort niederlegt,

wo mir Meer

oder Fels

nicht näher sind

~

Alles dämpft sie,

außer dem allernächsten Gluckern

und Platschen

und außer all dem

was in mir ist

und durch sie hindurch

keinen Weg

nach draußen findet

~

Über mir,

auf der Klippe

weiß ich den Leuchtturm,

der in den Nebel strahlt,

den Schiffen das Ufer zeigt,

sie nach Hause führt

und auch ich werde ihn

auf dem Heimweg sehen,

doch lieber folgte ich gerade

seinem Lichtpfad,

wohin sein Feuer zeigt,

auf nimmer Wiedersehen.

---

Doktor Disko (2024-03-09)

Avatar

Mondschaf, oder: das schillerende Gras und die Stille der Mare

Das Mondschaf

weidet sich

am Mondgras, das

schillernd und wogend

im Sonnenwind

die Tristesse

der einsamste Ebenen

überwächst

~

und trinkt

von der Stille der Mare,

die einst das All

in den Boden

unter dem Schaf warf,

ein All, dessen Dunkelheit

nun im Lichte

der Sonne schmilzt

~

Einer Sonne, die

das Gras webt und

dem Schaf einen

schillernden Pelz -

zu Fasern erweichter

Mondstein,

magieschillernd wie

die Welt wo es wohnt

~

und wird der Pelz

mal zu lang,

schert das Schaf

sich sehr wohl

und es spinnt

sich ein Garn

und es strikt einen Schal

aus Dankbarkeit

---

Doktor Disko (2024-02-01)

Avatar

Das Geheimnis, oder: in der Ecke jedes Raums

Da ist etwas

in der Ecke des Raums,

schräg hinter ihr,

ein Geheimnis, ein

Schatten, ein Ding,

keine Augen, doch es blickt

in dich hinein

während du

von dir erzählst

und es wohnt

überall, jeder Raum

ist ihm Heimat,

jedes Haus ist ihm Schloss,

wenn du denkst

hat es Nahrung, wenn du

sprichst, hat es Spaß,

lautes Lachen,

hämisch grunzend,

auf der Lauer

wächst es an, wächst sein Fell,

wächst die Macht,

wächst die Stärke

seines Blicks

und es sitzt

und es wartet

Es betrachtet

jeden Schritt deines Weges,

jeder Tag macht es fetter,

bis die Wand eines Tages

nicht mehr reicht

es zu halten

alles bricht

in sich zusammen,

diese Angst,

lässt dich zittern,

niemand weiß, was du hast -

wenn sie wüssten...

eines Tages

doch bis jetzt

sieht es niemand

außer dir, niemand

sah es

bisher noch,

doch was wenn

sie sich umdreht

und im Winkel

ihrer Augen...

---

Doktor Disko (2023-11-23)

Avatar

wir tropfen auf pflastersteinen

Die Sonne ging schlafen,

im Bett, dass der Regen ihr machte,

bevor er zu uns kam, so nah,

auf uns'ren Jacken

und auf uns'rer Haut

~

bevor er die Welt dämpfte

hinter seinem Schleier,

der alles umhüllt,

wie das Glas das Licht einer Laterne.

~

Eine Laterne steht

in der regennassen Gasse,

alles glänzt in ihrem Licht,

dünn benetzt mit Wasser.

Am hellsten leuchtet

der Efeu an der Wand,

der in ihr Licht wächst.

~

Ihr Gesicht ruhend

in der Berührung seiner Blätter.

Er selbst wie festgehalten,

zwischen ihr und der Wand,

geborgen in ihrem Blick,

der fest in die Kontraste

all seiner Blätter blickt,

sie offen legt.

Sie, schimmernd

im Grün seiner Reflexion,

in der Abgeschiedenheit

einer regnerischen Nacht.

~

Dunkle, regnerische Nacht

Gassen der Stille,

der nicht da seienden und auch

nicht fehlenden Menschen.

~

Laternenlicht tropft auf uns

und wir über die Pflastersteine,

halten nichts fest

außer uns,

schweben,

als wären wir ewig

und so alt

wie die Steine unter uns.

Leuchten

uns unsere eigene

kleine Sphäre

und tanzen darin,

wie Falter der Nacht.

~

Hinter dem Horizont,

dort hinten, dort draußen,

schwebt längst der nächste Morgen,

doch hier sind wir, verweilen

im Laternenlicht

geborgen.

---

Doktor Disko und Clara Oswin (2023-11-07)

Avatar

Zusammenhang, oder: die Getriebenen

Manche Zusammenhänge

sind gemein

und treiben dich

durch ein Gedankenlabyrinth

in einen Gang,

aus dem es

kein Entkommen mehr gibt,

behaglich eng,

doch nass und kalt

und dunkel, leer

und modrig, bald

so fern von Allem,

den Gedanken Anderer,

kesseln dich ein

und das ganz ohne

da zu sein.

---

Doktor Disko (2023-11-12)

Avatar

Gedankenzug

(für Clara)

Die Nacht, sie tropfte in das Tal,

sie rann vom stillen Tann

und über Wolken leuchtet fahl,

der Mond, weil er es kann.

~

und mit ihm malen Neonstrahl'n

die Dunkelheit bunt an,

Reklamen dort im Dunkeln prahl'n

die ich nicht sehen kann

~

denn sie und alles and're liegt

so fern von dieser Welt,

die sich um all mein Denken schmiegt,

die mit mir vorwärts schnellt

~

und zwischen uns liegt kalt, voll Hohn,

'ne Wand aus hartem Licht,

sie flext mit tausend Reflexion'n

und zeigt mir ein Gesicht

~

So sehr ich meine Blicke reg',

zu seh'n, was draußen liegt

so sehr steht mir der Blick im Weg,

von dem, der mich besiegt.

---

Doktor Disko (2023-10-03)

Avatar

Tee-Service, oder: darüber schreiben

Wie rauchende Arme

strecken sich die Trümmer

zum Horizont,

greifen nach all den

Herzen, die dem Hier

entfliehen wollen, nach

all den Augen, die

das Jetzt durch ein

Teleskop erleben,

das sie aus der Welt

reißt, ihre Körper

zurücklassend

~

Häuserwände begraben Fahrräder,

deren verbogene, gebrochene

Gliedmaßen sich

aus dem Dreck strecken,

als flehten sie um Gnade -

Aber es sind mehr

als die Fahrräder.

~

Kleine, orangene Flammen kauen

an einem alten Tagebuch, fressen

die Erinnerung an

ein Leben, eine Flamme,

die nun ohne

ihre Luft erstickt, ohne

die Luft der es hier

unter dem Druck

an Kraft fehlt

Atem zu

sein

~

Und der Gestank

durchdringend, als sei

nicht ein Rohr geborsten

und Abwasser trete aus, sondern

die Welt tritt ein,

materialisiert sich

in einer Atmosphäre aus Unrat

wächst in sie hinein, in

einen Gestank, der vor ihr war

und nach ihr sein wird,

dem es stinkt, dass man

ihm seinen Platz nimmt

~

Inmitten dieses Nichts, in

dem alles ist

kennt ein Trümmer meinen Namen,

ruft mich und ich

nehme ihn,

hebe ihn und darunter

ein Tee-Service, glasige Keramik,

Blumenmuster, unversehrt,

kein Kratzer, mitten im Dreck -

vielleicht sogar noch

Tee darin? -

und ich frage mich, was

schreibst du für

beschissene Metaphern

---

Doktor Disko (2023-11-02)

Avatar

½, oder: Klaviatur des Betons

Neubauten stürzen ein,

Altbauten nicht saniert,

Stadt ohne Mühe,

Stadt ohne Menschen,

Doppelhaushälften

ohne Halbhausdopplung

Straßenzüge voller leerer

Augen, können nicht blinzeln,

niemand senkt ihre Lider,

niemand singt Lieder, hinter

ihren Lidern, niemand wohnt,

sind da und sehen,

wenn sie wach sind,

wer einschläft hat

einen halben Kopf

pro Schulter

~

ein halber Mensch betritt die Bühne

ohne Vorhänge, läuft zwischen

Ruinen und Ruiniertem,

Staubwolken im Takt seiner Füße,

halbe Noten auf

der Klaviatur des Betons,

graue Tasten,

Geschmack von Trockenheit,

Ton der Leere,

Gesang der Sonne, die am

Hang hing und hängt,

dem Untergang trotzend,

Dämmerung seit Äonen

~

ein halber Mensch kennt seinen Weg

nicht, lässt sich fahren von

Straßenzügen, Neonlampen

tropfen von Decken,

Stalaktiten kalten Lichts

Handhalteschlingen wackeln

in der Massenträgheit,

einsam aufgereit,

könnten die Welt verschlingen

und blieben doch leer -

~

Nächster Halt, halb

da, halb Haus,

halb Umfallen, halb Mensch,

zwei Schultern, ein Kopf

eine Gravitation, ein Weg

nach unten

und im Bauch

eine Leere, so groß wie

ein halber Mensch

---

Doktor Disko (2023-10-27)

Sponsored

You are using an unsupported browser and things might not work as intended. Please make sure you're using the latest version of Chrome, Firefox, Safari, or Edge.